Kann Wasser trinken und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr bei der Behandlung und Vorbeugung von Migräne-Attacken helfen?

Viele Migräne-Betroffene sind genervt von gut gemeinten Tipps wie „Du musst einfach mehr Wasser trinken“ oder „Entspann dich doch mal. Dann wird auch die Migräne besser!“
Denn Migräne ist eine wahnsinnig komplexe, neurologische Erkrankung, die vom Betroffenen extrem viel abverlangt.
Mit „einfach mal mehr trinken“ oder „einfach mal entspannen“ ist es halt leider nicht getan.
Für Kopfschmerz– und Migräne-Betroffene wie auch für jeden anderen Menschen ist es aber trotzdem wichtig, regelmäßig ausreichend Wasser zu trinken. Die grundsätzliche Bereitschaft Migräne-Attacken zu bekommen, bleibt jedoch trotz regelmäßigen Wassertrinkens bestehen. Man kann also nicht mit einer Heilung rechnen, jedoch auf eine Besserung der Symptomatik hoffen.
Neben einer gut ausgefeilten Strategie zur Akut-Medikation, einer eventuellen medikamentösen Migräne-Prophylaxe (besonders bei chronischer Migräne) können auch diverse Verhaltensänderungen und alternative Heilmittel helfen, die Beschwerden von Migräne-Betroffenen zu verringern. Unter anderem steht eine ausreichende Trinkmenge im Verdacht Kopfschmerzen und Migräne vorzubeugen.
Daher möchte ich der Frage auf den Grund gehen ob Flüssigkeitsmangel (Dehydrierung, Dehydration oder auch Dehydratation) tatsächlich Kopfschmerzen und Migräne triggern kann und ob eine ausreichende Trinkmenge oder vermehrte Flüssigkeitszufuhr eine effektive Migräneprophylaxe und sogar Behandlung im Akutfall darstellen kann.
Über 30% der im Jahr 2005 von dem Forscher Blau befragten Migräne-Betroffenen berichteten dass Flüssigkeitsmangel bei ihnen Kopfschmerzen auslöse. Flüssigkeitsmangel wurde als neuer möglicher Migräneauslöser entdeckt. In der medizinischen Literatur wird dieser Trigger allerdings wie beispielsweise auch Wetterumschwung immer noch eher stiefmütterlich behandelt.
Als relativ neuer, bislang kaum untersuchter Triggerfaktor verdient die Dehydrierung also definitiv vermehrt Beachtung.
Wenn du herausfinden möchtest, ob es bei dir einen Zusammenhang zwischen deiner Trinkmenge und deinen Kopfschmerzen gibt, aktiviere den Faktor „Trinken“ in deinem Kopfschmerztagebuch der Gesundheits-App M-sense Migräne und dokumentiere dort täglich deine Trinkmenge. In der ausführlichen Trigger-Analyse kannst du dann das Ergebnis sehen.
Doch auch bei Nicht-Migräniker*innen kann Flüssigkeitsmangel eine ganz eigene Form von Kopfschmerzen hervorrufen: den sogenannten Dehydrations-Kopfschmerz.
Dabei handelt es sich um eine eigene, primäre Kopfschmerzerkrankung, die jedoch in zwei Aspekten der Migräne sehr ähnelt: pulsierender Charakter und erhöhter Schmerz bei Bewegung oder Anstrengung. Diese Form des Kopfschmerzes ist jedoch beidseitig, während die Migräne einseitig lokalisiert ist.
Der Dehydrations-Kopfschmerz wird, wie der Name schon sagt, durch Dehydration (Flüssigkeitsmangel) ausgelöst und kann daher auch in den meisten Fällen innerhalb kürzester Zeit mit einem großen Glas Wasser bekämpft werden. Meist tritt eine Besserung bereits nach 30 Minuten auf, in seltenen Fällen nach einigen Stunden (Blau et al. 2004). Der Kopfschmerz kann also sowohl akut durch einige Gläser Wasser gebessert oder gar besiegt als auch schon vorab durch regelmäßiges und ausreichendes Trinken vermieden werden.
Flüssigkeitsmangel kann also zu Dehydrations-Kopfschmerz führen und dieser anscheinend wiederum bei Migräne-Betroffenen Migräneattacken provozieren.
Unser Körper besteht zu ca. 60% aus Wasser. Bereits ab einem Flüssigkeitsverlust von 3% des Körpergewichts spricht man von einem leichten Flüssigkeitsmangel.
Im Laufe des Tages nehmen wir Wasser durch Trinken und Essen auf und verlieren es über Urin und Schweiß. Flüssigkeitsmangel beschreibt einen Zustand, in welchem dein Körper mehr Wasser verliert als er aufnimmt. Ein Mangel entsteht also entweder wenn ich zu wenig Wasser aufnehme oder zu viel Wasser ausscheide.
Ein geringer Flüssigkeitsmangel kann bereits deine Stimmung, dein Energielevel sowie deine geistigen Fähigkeiten beeinflussen. Fehlt unserem Körper Wasser können Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gedächtnisstörungen oder Konzentrationsmangel auftreten.
Denn Wassermangel führt zu einer Austrocknung des gesamten Körpers. Und diese Austrocknung kann zu Fehlfunktionen in einigen Nervenzellen führen. Das Blut wird dickflüssiger und feine Gefäße im Gehirn können nicht mehr optimal versorgt werden. Das Gehirn bekommt zu wenig Sauerstoff und reagiert darauf mit Kopfschmerzen – und bei entsprechender Empfänglichkeit mit Migräne.
Durst kann also ein erstes Symptom eines Flüssigkeitsmangels sein und du solltest unbedingt zu einem Glas Wasser greifen. Kannst du mehrere dieser Anzeichen bei dir beobachten, solltest du unbedingt von einem Arzt oder einer Ärztin behandelt werden. Denn sie können auch auf einen Hitzschlag hindeuten.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE e.V., 2000) empfiehlt allen Menschen täglich 1,5 bis 2,5 Liter zu trinken und meint damit die durchschnittliche Gesamtmenge aller Getränke. Diese beinhalten neben Wasser auch alle anderen Getränke wie Säfte, Milch, Tee, Kaffee sowie Lebensmittel mit hohem Wassergehalt, wie Obst und Gemüse. Daher kann man von einer reinen Mindest-Trinkmenge an Wasser von 1,5 Litern ausgehen.
Die optimale Trinkmenge kann sich aber darüber hinaus auch von Person zu Person unterscheiden und ist abhängig vom Alter, Gesundheit, körperlicher Aktivität und der Umgebungstemperatur.
Bei Erwachsenen über 60 Jahren sinkt der Wasseranteil des Körpers beispielsweise um etwa fünf Prozent. Wenn dazu noch ein – dem Alter geschuldetes – verringertes Durstgefühl und eine sinkende Anpassungsfähigkeit der Niere kommt, kann es ebenfalls schnell zu Kopfschmerzen kommen. Für Menschen ab 60 Jahren ist es also wichtig, täglich sogar mindestens zwei Liter zu trinken, auch wenn kein Durstgefühl besteht.
Normalerweise sollte ein Wasserkonsum von 3 Litern pro Tag nicht überschritten werden. Die Nieren können pro Stunde nur etwa 0,8–1 Liter Wasser ausscheiden. Daher auch hier nochmal der Hinweis lieber über den Tag verteilt kleinere Mengen zu sich zu nehmen, als zu viel auf einmal zu trinken. Denn wenn du mehr als ein Liter pro Stunde trinkst, kommt dein Elektrolythaushalt aus dem Gleichgewicht. Im Verhältnis zum vielen Wasser in deinem Körper fehlt es dir dann z.B. an Natrium (Verbalis et al. 2007).
Ähnlich wie bei zu geringer Wassereinnahme kann dies auch zu Kopfschmerzen führen. Hinzu kommen oft noch Symptome wie Schwindel und Übelkeit, manchmal sogar Atembeschwerden. Es sind sogar einige Fälle bekannt, in denen eine Hyperhydratation tödlich verlaufen ist. Gerade bei Marathonläufen oder militärischen Trainings kommt so etwas vergleichsweise häufig vor.
Neben der zu sich genommenen Flüssigkeit an sich, gibt es noch weitere Faktoren, die deinen Wasserhaushalt beeinflussen:
Hinweis: Übergibst du dich regelmäßig während deiner Migräne-Attacken, denke daran, die verlorene Flüssigkeit wieder auszugleichen, sobald die Übelkeit nachgelassen hat.
Ja, man kann. Zumindest der Dehydrations-Kopfschmerz kann nachweislich akut mit einer ausreichenden Trinkmenge behandelt werden. In einer Studie von Blau et al. (2004) verschwanden die Beschwerden nach dem Konsum von einen halben Liter Wasser bei zwei Drittel der Studienteilnehmenden bereits nach circa 30 Minuten. Bei einem weiteren Drittel der Teilnehmenden verschwanden die Kopfschmerzen nach 1 bis 3 Stunden. Daher: unbedingt auch bei akuten Beschwerden überlegen, ob es an Flüssigkeitsmangel liegen könnte, und an regelmäßiges Trinken denken!
Regelmäßig die richtige Menge an Flüssigkeit zu sich zu nehmen scheint tatsächlich eine der einfachsten Möglichkeiten, Kopfschmerzen und Migräne zu vermeiden. In einer Studie wurde bei einer Erhöhung der Trinkmenge eine wesentliche Reduzierung der Migräneattacken von 10,5 auf 5,4 Anfälle pro Monat sowie der eingenommen Triptane von 11,6 auf 6,2 beobachtet!!!!! Dieser Effekt trat bereits nach einem Monat mit erhöhter Trinkmenge ein (Martins et al., 2017). Beeindruckend und äußerst überzeugend, wie ich finde!
Und es gibt noch weitere Studien, die den positiven Effekt von Trinkmenge auf Kopfschmerzhäufigkeit nachweisen, z. B. Blau et al. (2004), Khorsha et al. (2020) und Spigt et al. (2012). Letztere führten die Studie mit 1, 5 Liter Trinkmenge durch, welche nachweislich zu einer Verbesserung der Migränebeschwerden führte.
Daher wird empfohlen, dass Kopfschmerzpatient*innen diese einfache Migräneprophylaxe ausprobieren und testen ob sie einen Effekt auf ihre Migräneanfälle hat.
Wenn es dir schwer fällt, die tägliche Mindest-Trinkmenge von 1,5 Litern einzuhalten, kann dich die digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) M-sense Migräne dabei unterstützen.
Mit unserem Behavioral Change-Programm und dem Active-Ziel „Trinkmenge optimieren“ wollen wir dich dabei unterstützen, deine tägliche Mindesttrinkmenge über mindestens 10 Wochen einzuhalten und so regelmäßiges Trinken in deinen Alltag zu integrieren. Du findest es im Therapiemodul der Migräne-App M-sense unter dem Reiter Active. Setze dir darüber hinaus eine Erinnerungsfunktion in der App und lass dich ans Wasser trinken erinnern!
Keine Sorge, du musst natürlich nicht für immer im Kopfschmerztagebuch dokumentieren, wie viel du trinkst, um den genauen Überblick zu behalten. Nach einigen Wochen der Konsistenz werden bestimmte Verhaltensweisen zur Gewohnheit – die behältst du dann viel leichter und fast schon automatisch bei, solange sich deine Lebensumstände nicht dramatisch verändern.
Nach dem Trinken ist vor dem Trinken! Hier noch ein paar einfache Tricks, um Dehydrierung zu vermeiden.
Kommt das Trinken mal zu kurz berichten einige Migräne-Betroffene von gehäuften Migräneattacken. Trinken wird im Alltag dennoch häufig vergessen. Die meisten merken erst, dass sie zu wenig trinken, wenn sie richtig durstig sind, oder verwechseln Durst mit Hunger. Dabei kann schon ein längerer Zeitraum in dem du zu wenig Wasser trinkst eine Attacke auslösen.
Die empfohlene Trinkmenge liegt bei mindestens 1,5 Litern täglich. Die Mindest-Flüssigkeitsmenge hängt jedoch auch stark von individuellen Faktoren ab, wie z. B. Konstitution, Körpergröße, körperlicher Aktivität etc. oder von äußeren Faktoren wie sommerliche Hitze.
Wichtig ist, dass die Flüssigkeitsaufnahme gleichmäßig über den ganzen Tag verteilt stattfindet.
Die gute Nachricht: Der sogenannte Dehydrations-Kopfschmerz, der bei Migräniker*innen häufig zu einer Migräneattacke heranwächst, kann erwiesenermaßen sowohl akut durch einige Gläser Wasser gebessert oder gar besiegt als auch schon vorab durch regelmäßiges und ausreichendes Trinken vermieden werden. Es ist also eine der unkompliziertesten Formen der Migräne- und Kopfschmerzprophylaxe. Gerade dann, wenn du eher zu einem Flüssigkeitsmangel neigst, kann eine erhöhte Trinkmenge wahre Wunder wirken.
Bei mir kann Flüssigkeitsmangel erst zu leichten Kopfschmerzen führen, die dann in eine ausgewachsene Migräne übergehen. Bei meiner Kollegin Mona hat die Trinkmenge nur Einfluss, wenn noch andere Trigger wie Schlafmangel, Wetterumschwünge oder hormonelle Schwankungen dazukommen. Wie ist bei dir? Hast du einen Zusammenhang beobachten können?
Wenn nicht, beobachte doch mal deine Flüssigkeitszufuhr mit unserer Migräne-App M-sense und lasse dir mittels der Analyse zeigen, ob bei dir ein Zusammenhang besteht.
Blau, J. N. (2005). Water deprivation: A new Migraine Precipitant. In: Headache. The journal of head and face pain, 45/6, pp. 757-759.
Blau, J. N., Kell, C. A., & Sperling, J. M. (2004). Water‐deprivation headache: A new headache with two variants. In: Headache. The Journal of Head and Face Pain, 44(1), pp. 79-83.
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e.V. (2000). Wasser. In: https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/wasser/ (Letzter Zugriff: 27.01.2022)
Khorsha, F., Mirzababaei, A., Togha, M., Mirzaei, K. (2020). Association of drinking water and migraine headache severity. In: Journal of Clinical Neuroscience, 77, pp. 81-84.
Martins, I. P., & Gouveia, R. G. (2007). More on water and migraine. In: Cephalalgia, 27(4), pp. 372-374.
Spigt, M., Weerkamp, N., Troost, J., van Schayck, C. P., & Knottnerus, J. A. (2012). A randomized trial on the effects of regular water intake in patients with recurrent headaches. In: Family practice, 29(4), pp. 370-375.
Verbalis, J. G., Goldsmith, S. R., Greenberg, A., Schrier, R. W., & Sterns, R. H. (2007). Hyponatremia treatment guidelines 2007: expert panel recommendations. The American journal of medicine, 120(11), pp. 1-21.